Orkantiefs: Die Könige des Winters

In den vergangenen Tagen war es wieder soweit, ein mächtiges Orkantief hat sich über dem westlichen und nordwestlichen Nordatlantik gebildet, das Tief SARAI. An diesem Beispiel wollen wir uns die Entwicklung eines solchen Tiefs genauer ansehen.

Entwicklung

Ausgangssituation

Den Ausgangspunkt vieler Orkantiefs auf dem Nordatlantik stellt die kanadische Provinz Neufundland dar. Zu diesem Zeitpunkt (Samstag 5. Februar 2022) liegt unser Tief noch als schwaches Tief vor der Küste Nova Scotias, wie in der Analyse des DWD zu erkennen ist.

DWD-Analyse der Fronten vom Samstag, den 5.2.2022 Mittags © DWD/wetter3.de

Zu erkennen ist die ausgedehnte Warmfront des Tiefs, die östlich des Tiefkerns bis weit auf den Atlantik reicht. Hier wird mit einer südlichen Strömung warme Luft nach Norden geführt. Gleichzeitig liegt auf der Westseite des Tiefs (nach oben im linken, oberen Bildrand) recht warme Luft mit +5 Grad an der Küste im weiten Warmsektor und um die -15 Grad rund 500 km nordöstlich davon. Dieser Temperaturunterschied setzt sich auch in der unteren Troposphäre fort, insgesamt herrscht also ein markanter Temperaturunterschied auf engem Raum vor.

Temperaturen in 2 Meter Höhe am Samstag, den 5.2.2022 © UBIMET

Dieser Temperaturunterschied ist bedeutsam, denn er ist verantwortlich für den kräftigen Jetstream der gleichzeitig in der Höhe über dem Gebiet liegt. Das Zusammenspiel des Jets mit dem Bodentief ist entscheidend für seine zukünftige Entwicklung.

Bombogenese

Mit diesem Ausdruck beschreiben Meteorologen die rasche Entwicklung eines Tiefs, wie sie von vielen Orkantiefs durchlaufen wird. Dabei muss der Druck im Kern eines Tiefs um mehr als 1 Hectopascal in einer Stunde fallen bzw. mehr als 24 Hectopascal in 24 Stunden. Entscheidend dafür sind mehrere Faktoren die in positiver Weise zusammenspielen müssen.

Grundlegend gesagt sinkt der Druck in einem Tief dadurch, dass aus dem Tiefkern mehr Luft herausgeführt wird, als in den untersten Schichten nachgeführt werden kann. Dies ist meist nur durch Vertikalbewegungen möglich. Angeregt wird das Aufsteigen durch:

  • Den Antransport von Wärme im Zusammenspiel mit
  • einem Trog und
  • dem Jetstream

Diese Prozesse, wenn sie Hand in Hand verlaufen, sorgen für eine Verstärkung der Vertikalbewegung und somit für einen raschen Druckfall im Tiefkern.

Der Höhepunkt von Tief SARAI am frühen Montagmorgen dem 7.2.2022 mit Kerndruck von 930 hPa © DWD/wetter3.de

Außerdem trat bei SARAI noch ein Zusatzeffekt auf, der für Orkantiefs typisch ist: die Miteinbeziehung von trockener Luft aus der Stratosphäre, der sog. dry Intrusion. Im Bild ist diese Dry Intrusion im schwarzen Kasten dargestellt, die gelbe Farbe symbolisiert trockene Luft, die grüne Farbe feuchte kalte Luft, hier die Warmfrontbewölkung (teilweise Cirren). Dabei sorgt diese für einen gewissen Schub beim Druckabfall.

Wasserdampfbild von Sonntag 19 Uhr MEZ © EUMETSAT

Nach Analyse des DWD ergeben sich für SARAI folgende Kerndrücke:

Datum und Uhrzeit Kerndruck (hPa)
Samstag 5.2.2022 13 Uhr MEZ 1003
Samstag 5.2.2022 19 Uhr MEZ 997
Sonntag 6.2.2022 01 Uhr MEZ 992
Sonntag 6.2.2022 07 Uhr MEZ 983
Sonntag 6.2.2022 13 Uhr MEZ 971
Sonntag 6.2.2022 19 Uhr MEZ 957
Montag 6.2.2022 01 Uhr MEZ 940
Montag 6.2.2022 07 Uhr MEZ 930
Montag 6.2.2022 13 Uhr MEZ 930

Dies macht einen Druckfall von Sonntagnacht bis Montagnacht von 42 hPa aus, was somit fast das Doppelte des in der Definition verlangten entspricht. Den tiefsten Kerndruck erreichte übrigens Tief BRAER im Jahre 1993 mit einem Kerndruck von 916 Hectopascal.

Auflösungsstadium

Wie üblich nimmt bei einer solchen Entwicklung die Größe des Tiefs erheblich zu und die oben erwähnten Prozesse agieren nicht mehr Hand in Hand, sodass die Tiefdruckentwicklung ihren Höhepunkt überschreitet. Danach wird das Tief zum sog. steuernden Tief und Warm- und Kaltfront beginnen zusehends zu okkludieren, d.h. die Kaltfront holt die Warmfront ein. Schließlich bilden sich entlang der Kaltfront sogenannte Randwellen, kleinere Tiefs, die wiederum kräftig sein können.  Zudem beginnt der Kerndruck wieder zu steigen und die Entwicklung ist abgeschlossen.

Interessant bei der Entwicklung von SARAI ist, dass sich im Bereich des Kerns mehrere Unterkerne gebildet haben. Man erkennt diese am oberen Bildrand. Darunter sieht man die typischen Konvektionsmuster über dem Meer.

Luftmassenbild Dienstag 8.2.2022 © EUMETSAT/Wetterzentrale

Auswirkungen

Der Name Orkantief sagt es bereits, solche Tiefs bringen verbreitet Orkanböen (Böen über 118 km/h) und sorgen für meterhohe Wellen. Dabei sind Wellenhöhen zwischen 10 und 15 Meter auf dem offenen Atlantik eher Durchschnitt als Ausreißer und die höchsten Wellen dürften bei Böen von 160 bis 200 km/h noch deutlich höher ausgefallen sein. Hauptsächlich waren diesmal Island und Grönland betroffen.

In der Folge wird eines dieser Kerne SARAI I uns am Donnerstagabend in deutlich abgeschwächter Form erreichen und an der Nordsee für Sturmböen sorgen.

Frontenkarte für Donnerstag, den 10.2.2022 © FU-Berlin/Wetterpate

Titelbild: https://www.nnvl.noaa.gov/view/#TRUE