Wetterlage
Das Wettergeschehen am Freitag wurde in Mitteleuropa von Tief EMMELINDE geprägt, welches in der Früh noch über Nordfrankreich lag. Im weiteren Tagesverlauf zog das Tief unter allmählicher Verstärkung über die BeNeLux-Staaten nach Norddeutschland und in der Nacht auf Samstag nach Polen. Dabei führte es feucht-labile Luft aus Südwest nach Deutschland und Österreich. Im breiten Warmsektor (Gebiet zwischen Warm- und Kaltfront) waren somit gute Bedingungen für kräftige Gewitter gegeben.
Die Analyse oben zeigt die Lage der Fronten (Rot = Warmfront, Blau = Kaltfront) um 17 Uhr, in etwa dem Zeitpunkt als die Tornados auftraten.
Tornados
Der Auszug aus der Datenbank ESWD (European Severe Weather Database) zeigt die bisher (Samstagnachmittag) eingegangenen Meldungen über Tornados (Rot), Starkregen (Blau), Hagel (Grün) und Windböen (Gelb). Man erkennt die bisher gemeldeten 6 Tornados vom Freitag.
Bedingungen
Die Orte, an denen die Tornados auftraten, boten ideale Bedingungen. Im rot umrandeten Gebiet (Grafik siehe unten) war die Luft nahezu gesättigt, denn der Unterschied zwischen Temperatur und Taupunkt ist nur gering. Dies begünstigt die Bildung von Tornados, da unter solchen Verhältnissen die Wolkenuntergrenze sehr niedrig ist.
Da zudem die Richtungsscherung (Windrichtung ändert sich mit der Höhe) südlich der Warmfront ausgeprägt war, war bereits im Vorfeld die Bildung von Superzellen erwartet worden. Dabei wird die durch die Scherung induzierte Rotation im Bereich des Aufwinds der Superzelle gekippt und durch Streckung erhöht (Pirouetteneffekt).
Im gelb umrandeten Gebiet war die Differenz zwischen Lufttemperatur und Taupunkt (auch „Spread“) hingegen deutlich größer, hier war die Gefahr von Sturm bzw. Orkanböen sehr hoch, später trat über Tschechien noch ein Bow Echo örtlich mit Orkanböen auf.
Häufigkeit in Österreich
Tornados zählen sicherlich in Österreich zu den seltenen Phänomenen, dennoch treten pro Jahr im Schnitt 5 auf. Die gefühlte, zunehmende Häufigkeit ist besonders im Aufkommen von Smartphones und Videokameras zu erklären, da inzwischen viele Fälle dokumentiert werden und via Internet schnell Verbreitung finden, die früher nur lokal publik wurden.
Zudem hat sich die Beobachtungstechnik und hier speziell das Radar weiterentwickelt und mit sog. Doppler-Radaren können inzwischen Rotationen vermessen werden. Mit noch neuerer Technik kann inzwischen sogar indirekt erkannt werden, ob ein Tornado Bodenkontakt hatte oder nicht, in den USA sind solche als polarimetrischen Radare bezeichneten Radare inzwischen Standard.
Die zudem häufig gestellte Frage, ob Tornados mit dem Klimawandel zunehmen, lässt sich bei derzeitiger Datenlage nicht gut beantworten. Derzeit ist auf jedenfalls kein signifikanter Trend in eine Richtung erkennbar. Hier ist der Zusammenhang mit den jeweiligen Wetterlagen im Frühling und Sommer entscheidend.
Bilder
🟢 Update:
Erste VORLÄUFIGE Übersicht zur Schneise des Tornados, der heute Nachmittag in #Paderborn für erhebliche Schäden sorgte.🌪️Die Schadensschneise ist mindestens 4.5 Kilometer lang. Leider wurden durch den #Tornado 38 Menschen verletzt – 13 davon schwer. pic.twitter.com/oVRkTYYN4w
— Tornadomap.org (@tornadomap_org) May 20, 2022
#Paderborn #Unwetter
Kenne leider die Quelle nicht, wurde mir zugeschickt.
Angeblich bei Paderborn. pic.twitter.com/bmyd75cyiB— Marc C. Hübner (@5fach) May 20, 2022
Schadensbilder des #Tornado aus #Paderborn der eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt und ein Industriezentrum gezogen hat.
Teilweise F3 Schäden, urteilt selbst
Bilder selber geschossen!#Unwetter pic.twitter.com/nNvS8nccXm— Robert Boni 🇺🇦#climateActionNow 🇺🇦 (@RobertBoni6) May 20, 2022
Titelbild: https://twitter.com/5fach/status/1527693068081717248