Mitteleuropa liegt derzeit zwischen einem umfangreichen Hoch mit Kern über den Britischen Inseln und einem Tiefdruckgebiet über Italien. Besonders im Alpenraum bzw. im nördlichen Mittelmeerraum treten dabei große Druckunterschieden auf engem Raum auf (die Isobaren auf der Wetterkarte liegen enger zusammen). Der Wind ist letztendlich der Versuch der Atmosphäre, diese Luftdruckgegensätze auszugleichen. Je ausgeprägter die Gegensätze ausfallen, desto kräftiger weht der Wind.
Kanalisierung und Überströmung
Durch die aktuelle Druckverteilung kommt es zu einer kräftigen nordöstlichen Strömung im Alpenraum, wobei die vergleichsweise schwere, flach einfließende Kaltluft die verschiedenen Gebirgsgruppen Mitteleuropa zunächst umströmt bzw. zwischen ihnen kanalisiert wird. Dadurch kommt es etwa im Schweizer Mittelland zur Bise und im Süden Frankreichs zu Mistral bzw. Cers. Wenn die Kaltluft hochreichender wird oder es keinen weiteren Ausweg gibt, kommt es vermehrt auch zur Überströmung der Gebirgsketten. So weht etwa die Bora über das Dinarische Gebirge in Richtung Adria und auch die Alpen können überströmt werden: Dann weht in den Süalpen hochreichender Nordföhn (auf Italienisch auch „favonio“ genannt).
💨 Une bise glaciale souffle ce dimanche ! À Genève, le Lac Léman affiche une houle peu commune avec des rafales atteignant 95 km/h et un ressenti proche de -7 ! 🥶 (© Benoit Frech) pic.twitter.com/biNZpdq47z
— Météo Express (@MeteoExpress) February 26, 2023
Bise
Die Bise ist ein nordöstlicher Wind im Schweizer Mittelland, der die höchsten Geschwindigkeiten in der Genferseeregion erreicht: Die von Osten kommende Luft wird nämlich zwischen dem Jura und den Alpen kanalisiert und gewinnt in Richtung Westen mit abnehmendem Abstand zwischen den zwei Gebirgen an Geschwindigkeit (Düseneffekt).
Genève. La mer est calme. pic.twitter.com/8oH88kwgfq
— La Moole (@OhLaMoole) February 26, 2023
Im Winter bringt die Bise meist kalte und hochnebelanfällige Luft. Bei starker Bise und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt kann sich an den Ufern von Seen gefrierende Gischt bilden. Am Sonntag sind rund um den Genfersee schwere Sturmböen um 100 km/h zu erwarten, auf den Jurahöhen gibt es Orkanböen.
Spitzenböen in den Niederungen am Sonntag:
- 103 km/h Mathod
- 101 km/h Saint-Prex
- 100 km/h Nyon / Changins
- 99 km/h Genève-Cointrin (Flughafen Genf)
- 96 km/h Neuchatel
- 95 km/h Bière
Eindrückliche Aufnahmen während des vergangenen #Bisensturms am Neuenburgersee bei Yverdon-les-Bains. Windböen bis rund 100 km/h sorgten für ordentlichen Wellengang und #Surfer-Spass. Vielen Dank an U. Schwitter für die Bilder. pic.twitter.com/W0QZ7g9FiK
— MeteoSchweiz (@meteoschweiz) February 28, 2023
Bora
Die Bora ist ein kalter Fallwind aus Ost bis Nordost, der vom Dinarischen Gebirge wasserfallartig zur Adria herabweht. In exponierten Lagen wie etwa am Fuße des Velebit-Gebirges kommt es dabei häufig zu Orkanböen. Sie weht besonders häufig in der Bucht von Triest sowie von der Kvarner Bucht entlang der Dalmatinischen Küste bis nach Montenegro. Besonders bekannt dafür sind die Städte Triest in Italien, die Ortschaften an der Westflanke des Velebit-Gebirges in Kroatien sowie auch die Städte Makarska und Dubrovnik.
Bisherige Spitzenböen am Sonntag bzw. Montag (Auswahl):
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- 144 km/h Prizna (CRO)
- 124 km/h Podnanos (SLO)
- 120 km/h Trieste molo Fratelli Bandiera (ITA)
- 113 km/h Rijeka-Omisalj (CRO)
- 108km/h Senj (CRO)
- 94 km/h Monfalcone (ITA)
- 91 km/h Trieste (Barcola) (ITA)
- 86 km/h Lignano (ITA)
Die Bora wird anhand ihres Auftretens in zwei Haupttypen klassifiziert: Die „schwarze Bora“ (Bora scura) wird durch eine Zyklone über dem Mittelmeerraum ausgelöst und meist von Niederschlägen begleitet, die „weiße Bora“ (Bora chiara) wird dagegen durch ein markantes Hoch über Osteuropa hervorgerufen und tritt bei klaren Bedingungen auf. Weitere Infos gibt es hier. Anbei noch eine Livestream-Webcam.
Vento forte su buona parte del FVG, in particolare sulla costa, e abbassamento delle temperature. Le raffiche di Bora hanno raggiunto i 106 km orari a Trieste; vento oltre gli 80 km orari a Grado e Lignano, mare molto mosso. Allerta meteo in vigore fino a mezzogiorno di lunedì. pic.twitter.com/fBIvBfdtDK
— Tgr Rai FVG (@TgrRaiFVG) February 26, 2023
Mistral, Cers und Tramontane
Der Mistral ist ein kalter, trockener und oft starker Fallwind, der vor allem im unteren Rhônetal in Südfrankreich oft für schwere Sturmböen sorgt. Während der Mistral zwischen Alpen und Zentralmassiv kanalisiert wird, weht zwischen Zentralmassiv und Pyrenäen der Cers, ein trockener Wind aus Nordwest bis West, der vor allem an der französischen Mittelmeerküste in der Gegend von Narbonne bekannt ist. Über dem Löwengolf treffen Mistral und Cers häufig aufeinander. Die direkte Überströmung aus Nordwest des Zentralmassivs wird Tramontane genannt, wobei meist auch der Cers der Tramontane zugerechnet wird. In Italien wird dagegen der Fallwind aus nördlicher Richtung in Ligurien als Tramontana genannt. Ähnlich wie bei Bora und Bise wird dabei je nach Witterung (bzw. je nach Lage von Hoch und Tief) zwischen „Tramontana chiara“ und „Tramontana scura“ unterschieden.
Spitzenböen in Südfrankreich (Auswahl):
- 122 km/h Avignon
- 109 km/h Orange
- 100 km/h Nimes-Garons
- 98 km/h Narbonne
- 95 km/h Marseille
- 95 km/h Perpignan